Zusammenkommen: Kirchenpflegepräsident von Langnau a.A.

Der Kirchenpflegepräsident Erwin Oertli von Langnau a.A. ist mitten in einem Zusammenschluss-Prozess mit Adliswil / Bezirk Horgen. Warum er trotz diverser Herausforderungen optimistisch ist, erzählt er im Gespräch mit der Zürcher Landeskirche   … 

 

Frage:         Erwin, warum wollt Ihr Euch mit Adliswil zusammenschliessen?

Antwort:    Beiden Kirchgemeinden geht es noch gut. Wenn wir uns also bald – also auf den 1.1.2020 hin – zusammenschliessen, können wir mitsteuern, wann, mit wem und wie wir den Zusammenschluss gestalten wollen. Mit einem akuten Leidensdruck hätten wir vermutlich weniger Spielraum. Vielleicht würden wir dann irgendwann von der Landeskirche zu Kooperationen oder Fusionen verpflichtet werden. Da wollen wir doch lieber das Heft in der Hand behalten. Deshalb führen wir seit Herbst 2017 intensive Gespräche mit Adliswil.

Frage:         Andere Kirchgemeinden entscheiden sich dafür, zusammen zu arbeiten und formell eigenständig zu bleiben – war das für Euch eine Alternative?

Antwort:    Seit etwa 2014 haben wir mit den umliegenden drei Kirchgemeinden – Rüschlikon, Kilchberg und Adliswil – Gespräche geführt und punktuell kooperiert, derzeit unter dem Namen KLAR oder KARL. Denn im November 2013 gab es einen Bezirkskirchentag, bei dem der Gedanke einer einzigen Kirchgemeinde im Bezirk aufkam. Dazumal erschien das aber als sehr utopisch. Die Landeskirche hatte dann einen Plan gezeichnet, der den Bezirk in drei Teile aufteilte. Das und die geographische Nähe haben die KLAR-Gespräche und gemeinsame Aktionen angestossen. Und unser gegenseitiges Vertrauen wuchs.

Adliswil und wir haben jedoch irgendwann gefunden, dass Zusammenarbeit eher doch doppelte Arbeit bedeutet. Ein Zusammenarbeits-Vertrag wäre dann noch ein zusätzlicher, Vertrag, den es zu berücksichtigen gilt. Ein Zusammenschluss erschien uns da schlanker. So haben wir uns auf einen, zugegeben arbeitsreichen Weg gemacht. Erleichternd ist: Wir haben jetzt ein Ziel vor Augen, und wissen, dass Einiges bis 2020 ein Ende haben wird.

Frage:         Was erhofft Ihr Euch denn konkret vom Zusammenschluss?

Antwort:    Bei unseren Pfarrern möchten wir die Stellenprozente behalten und die Vielfalt des Angebots mindestens wahren: Angebote sollen trotz Mitgliederschwund, den wir in beiden Kirchgemeinden erleben, nicht abgebaut werden. Die derzeitigen Angebote beruhen ja bereits teilweise auf Bedürfnisabklärungen in den Gemeinden. Ob wir Angebote ausweiten oder Neues anbieten können, wird die Zeit zeigen. Denn wir rechnen damit, dass der Prozess des Zusammenwachsens dauern wird. Bis 2020 haben wir erst mal die Grundstrukturen geklärt. Wir haben aber dann noch keine Erfahrungen gesammelt, ob Personen von Adliswil nach Langnau kommen werden und umgekehrt. Das ist nicht vorhersagbar.

In den Behörden und der Verwaltung erhoffen wir uns allseits eine Entlastung. Beispielsweise merken wir – wie viele andere Kirchgemeinden auch – dass es zunehmend schwieriger ist, Mitglieder der Kirchenpflege zu finden.

Frage:         Geht denn ein Zusammenschluss mit einem Stellenabbau in der Verwaltung einher? Viele assoziieren das ja, wenn z.B. von der Nutzung von Synergien gesprochen wird.

Antwort:    Bis anhin gehe ich nicht davon aus. Synergien können wir auch sonst nutzen. Beispielsweise ist angedacht, an beiden Standorten die Sekretariate beizubehalten. Aber sie haben möglicherweise unterschiedliche Öffnungszeiten, und Anrufe werden zu dem jeweils geöffneten Sekretariat weitergeleitet. Auch können sich Angestellte besser gegenseitig stellvertreten. Die Dienstpläne der Sigristen stimmen wir bereits heute aufeinander ab.

Die Aufgabe, eine gemeinsame Personalstrategie zu fassen, steht aber noch aus. Erst müssen wir uns grundsätzlich über die neue Struktur verständigen.

Frage:         Stichwort „Struktur“ – die Landeskirche hat ja Organisationsempfehlungen erarbeitet. In welchem Modell seht Ihr Euch zukünftig: Kommissions- oder Geschäftsleitungsmodell?

Antwort:    Wahrscheinlich in keinem von beiden in Reinform. Die konkrete Antwort, wie wir uns strukturieren, steht noch aus. Einige Ideen sind, dass wir erstens eine stärkere Trennung zwischen „Operativem“ und „Strategischem“ herbeiführen wollen. Zweitens können wir uns vorstellen, dass die Kirchenpflege aus sieben Mitgliedern besteht, die sich jeweils mehrere Aufgaben teilen: Etwa zwei das Präsidium, zwei die Verantwortung der Ressourcen und drei das Gemeindeleben mit seinen verschiedenen Facetten. Drittens braucht es ein Bindeglied zwischen Mitarbeitenden, Pfarrpersonen und Kirchenpflege. Wie das genau aussehen wird, wissen wir noch nicht. – Das sind aber gerade nur Einblicke in eine laufende Diskussion.

Frage:         Die Diskussion läuft gerade – wo steht Ihr denn insgesamt im Prozess?

Antwort:    Der Zusammenschlussvertrag ist im Entwurf fertig und von der Rechtsabteilung der Landeskirche durchgesehen. Nun arbeiten wir in der Steuerungsgruppe weitere Dokumente aus, allen voran die Kirchgemeindeordnung und die Personalstrategie. Neben der Steuerungsgruppe haben wir mehrere Arbeitsgruppen gebildet – für Kommunikation, Ressourcen und Gemeindeleben. Diese bringen auch ihre Inputs ein.

Frage:         Was sind die nächsten Meilensteine für Euch?

Antwort:    Im September gibt es in beiden Gemeinden eine ausserordentliche Kirchgemeindeversammlung, welche die Kirchgemeindeordnung und den Zusammenschlussvertrag zu Handen von den Urnen hoffentlich abnehmen. Die Urnengänge sind dann für November 2018 vorgesehen. Falls dort in beiden Kirchgemeinden mit „Ja“ gestimmt wird, nutzen wir das Jahr 2019 zur Verfeinerung unserer Pläne, z.B. durch eine Geschäftsordnung.

Frage:         „Falls Ja“ – das tönt nach Herausforderung und Risiko. Welche siehst Du denn gesamthaft?

Antwort:    Eine grosse Unbekannte ist für mich die Urne. Denn die Stimmung der Mitglieder spüren wir noch nicht recht. Wir haben zwar in beiden Kirchgemeinden zu Infoveranstaltungen eingeladen, aber relativ wenige haben teilgenommen. Deren Rückmeldungen waren überwiegend positiv. Einige haben sich sogar für die Arbeitsgruppen gemeldet. Wir versuchen nun, viel im Kirchenblatt zu informieren, das jedes Mitglied erhält.

Dass wir an der Urne ein „nein“ kassieren könnten, beeinflusst gerade beispielsweise unsere Personalsituation: In Langnau suchen wir auf August hin einen Ersatz im Sekretariat. Wir werden die Stelle allerdings voraussichtlich bis Ende 2019 befristen, um uns Spielraum zu erhalten. Zugleich erhält die Stelle ein höheres Pensum, denn es fällt mehr Arbeit im Zusammenschluss-Prozess an. Da uns die regionale Zusammenarbeit sehr wichtig ist, sind Personen aus Adliswil und Langnau im Auswahlprozess miteingebunden.

Frage:         Mit welchen weiteren Herausforderungen und Risiken siehst Du Euch konfrontiert?

Antwort:    Ich selbst finde es herausfordernd, nichts und niemanden zu vergessen: Was braucht es wo, wann braucht es an wen welche Infos? Es soll sich niemand überrollt fühlen. Zweitens ist es von Seiten der Behörden und der Mitarbeitenden anstrengend, das zusätzliche Arbeitsvolumen neben dem normalen Tagesgeschäft zu stemmen. Ich schätze, dass dies sich allein bei mir auf 10 bis 20 Prozent extra addiert. Drittens müssen die Behörden derzeit alles doppelt, aber idealerweise gleich entscheiden. Wir haben nur wenig Zeitpuffer, um allfällige Änderungen noch einzuarbeiten und es beiden Behörden wieder vorzulegen. Zuletzt: Wie viele Pfarrstellenprozente wir ab 2020 haben werden, wissen wir noch nicht definitiv. Sollte der Zusammenschluss zu einem Stellenabbau führen, haben wir etwas falsch gemacht.

Frage:         Bisher seid Ihr allerdings im Zeitplan und guter Dinge. Was sind Eure „Erfolgsgeheimnisse“?

Antwort:    Es sind die Leute, Behörden, Pfarrer, Mitarbeitende, die den Weg mehrheitlich miteinander gehen wollen. Wir erleben ein grosses Wohlwollen bei den Mitarbeitenden, weil sie Entlastungspotenzial sehen. Die teilweise neu gewählten Kirchenpflegen sind für den Zusammenschluss. Und bei der Pfarrschaft gab es aufgrund von Pensionierungen in den letzten zwei bis drei Jahren einige Wechsel. Da haben wir bei den Einstellungen schon darauf geachtet, dass die Pfarrpersonen positiv gegenüber dem Zusammenschluss eingestellt sind. Eine von ihnen hat sogar bereits einmal einen Fusionsprozess mitgemacht.

Frage:         Zuletzt nimmt es mich noch wunder: Welche Tipps hättest Du für andere Kirchgemeinden?

Antwort:    Mir erscheint es wichtig, dass man als Kirchenpflege nicht im stillen Kämmerlein über Lösungen sinniert, sondern mit allen – Behörden, Pfarrpersonen, Mitarbeitenden und Mitgliedern der Kirchgemeinde – Gespräche führt.

Uns hilft auch, dass wir einen Prozessbegleiter engagiert haben, einen Aussenstehenden mit Erfahrung und einer anderen Perspektive auf uns. Einerseits nimmt er uns Arbeitslast ab: Er bereitet Sitzungen vor und nach, klärt Punkte mit der Landeskirche ab und geleitet uns auch zeitlich durch den Prozess. Andererseits bringt er sich inhaltlich ein und hilft uns, an alles zu denken, was es im Prozess braucht.

Drittens möchte ich jeden ermuntern, etwas zu wagen: Etwas Neues zu denken. Im Diskurs miteinander zu schauen, wo sich Neues entwickeln könnte. Sich aus der eigenen Komfortzone heraus zu bewegen. Mutig zu sein kann eine grosse Chance für etwas tolles Neues sein.

Danke Dir für das Gespräch, Erwin. Alles Gute für Eure Zukunft!