Kreativ umgenutzt: Hoch3

Etwas grosses Neues wagen – tollkühn, mutig oder einfach nur folgerichtig? Die Kirchgemeinde Witikon probiert es aus.

Hoch3: Bistro – Café – Pavillon auf dem Areal der reformierten Kirche Zürich Witikon

So divers Konzepte von Gastrobetrieben und dann die Realität sind, so spannend ist es, einige Details genauer zu beleuchten. Vor allem, wenn Kirchgemeinden selbst solch kreative Umnutzungen überlegen. So heisst es hier: «Spotlights on» – gerichtet auf Hoch3, ein Bistro – Café – Pavillon in Zürich Witikon.

Wie es dazu kam

Die Idee, ein Café – Bistro – Pavillon zu errichten, entstand aus einer Sozialraum- und Bedürfnisanalyse des Quartiers vor einigen Jahren: Wie ist die (zukünftige) Bevölkerungsstruktur, welche Angebote sind vorhanden, woran mangelt es, was kann die Kirchgemeinde ergänzend beitragen? Daraus ergab sich ein Bedürfniskatalog, den die  Kirchenpflege für ihre Schwerpunktsetzung in der nächsten Legislaturperiode nutzte. Unter anderem zeigte die Analyse, dass viele ältere Menschen und viele Familien im Quartier wohnen, aber Restaurants oder Cafés, also Treffpunkte ausserhalb der eigenen vier Wände fehlen. Das gab den Anstoss, ein bisher unbebautes Areal mitten im Quartier, direkt neben der Kirche umzugestalten.

Von der Idee bis zum Bau vergingen einige Jahre, nicht zuletzt, weil die Frage der Finanzierung geklärt werden musste. Letztlich wurde aus vielen Töpfen Geld gesprochen: Über 40 Prozent machen private Spenden aus. Hinzu kommen Mittel der Stiftung Urbane Diakonie, Eigenkapital, ein Eigenkredit und ein Diakoniekredit der reformierten Landeskirche Zürich.

Die Gastgeber

Der Kirchenpflege ist es wichtig, Hoch3 als sozialen, gastlichen Ort zu etablieren. Deshalb hat sie sich entschlossen, es in Eigenregie zu führen.

Drei Angestellte und etwa vierzig Freiwillige bedienen nun im Schichtbetrieb. Hoch3 zieht ganz unterschiedliche Mitwirkende an, so auch einige, die Kirche vorher kaum interessiert hat. Eher ungewöhnlich für Freiwilligenengagement ist, dass etwa ein Viertel Männer sind. Die Altersspanne ist gross und die beruflichen Erfahrungen divers. So können Flugzeugbegeisterte mit Glück einen ehemaligen Piloten als Barista erleben.

Drei Angestellte und etwa vierzig Freiwillige, die sich im Schichtdienst abwechseln, heissen Gäste willkommen. Hier ein Blick hinter die Tresen.

Neben dem regulären Betrieb schulen die Angestellten regelmässig die Freiwilligen, beispielsweise in der Zubereitung der Kaffee-Spezialitäten oder in der Restauranthygiene. Gesucht und gefunden wurden deshalb Profis, die neben ihrem Know-How Geduld und soziales Talent mitbringen.

Alle – Angestellte wie Freiwillige – verstehen sich als Gastgeberinnen und Gastgeber. Beim Bedienen haben sie den Anspruch, unaufdringlich aufmerksam Bedürfnisse wahrzunehmen, sei es nach einem Glas Wasser oder nach einem offenen Ohr. Mitunter vermitteln sie einen Kontakt zur Sozialdiakonie. «Glauben» thematisieren sie jedoch nicht, weder ihren, noch den des Gegenübers.

Unterschiedlich gestaltete Sitzecken laden ein, länger zu verweilen.

Die Gäste

«Tue Gutes und sprich darüber» beschreibt eine der Wirkungen der Freiwilligen. Denn auch dank ihrer guten Vernetzungen im Quartier erlebt Hoch3 seit der Eröffnung im März 2019 (mit offizieller Einweihung im Mai 2019) einen steten Besucherstrom.

Die Gäste sind zahlreich und bunt gemischt. Schulkinder kommen auf dem Heimweg vorbei, um einen gratis angebotenen Sirup zu trinken. Mütter und Väter mit kleinen Kindern haben die Spielecke als Treffpunkt entdeckt. Donnerstags hat das Café abends geöffnet und wird gerne von Eltern schulpflichtiger Kinder besucht. Ältere Menschen und Berufstätige kommen zum Mittagessen vorbei. Einige verweilen mit ihrem Laptop noch etwas, um ungestört zu arbeiten.

Kleine Kinder finden im Innenbereich viele Spielgelegenheiten. Grössere Kinder freuen sich über die Spielsachen im ruhigen, von der Strasse abgewandten Aussengelände

Angebot, Preise und Kosten

Das Angebot besteht aus Getränken, Mittagsmenüs und Snacks. Die Konsumationspreise sind marktüblich – mit der Ausnahme, dass «Basisgetränke», also beispielsweise ein einfacher Kaffee günstiger als in anderen Cafés sind. Stolz ist die Witikoner Kirchenpflege auf die Qualität ihres Kaffees: «Einen besseren bekommen Sie nicht im Quartier.»

Für 2019 / 2020 ist das Betriebsziel, mit den Einnahmen die Löhne der Angestellten zu bezahlen. Der Kirchenpflegepräsident ist positiv gestimmt, dass dies erreicht wird.

Neben Getränken bietet Hoch3 auch Mittagsmenüs an.

Der Ausblick

Bereits jetzt wirkt Hoch3 gemeinschaftsbildend in verschiedene, mitunter unerwartete Richtungen: So entwickelt sich eine Art Elternstammtisch. Durch die Veranstaltungen, die das Hoch3 Team organisiert, kommen Menschen, die sich vorher nicht blicken liessen. Und die Freiwilligen wachsen zusammen.

«Schön wäre es», so Hans Peter Burkhard, Kirchenpflegepräsident, «wenn wir mit Hoch3 erreichen, dass noch mehr Menschen stolz darauf sind, zur Kirchgemeinde zu gehören. Das gelingt unter anderem, wenn Hoch3 im Quartier sichtbar bleibt, wenn es als ein Café, das anders als andere ist, wahrgenommen wird. Und vielleicht verändert sich auch etwas in unseren Arbeitsweisen: Es zieht uns ins Hoch3, hin zu den Menschen.»

Stricken kann auch Community-bildend wirken

Kontakt für andere Kirchgemeinden

Weiterführende Infos

Marco Looser
Projektleiter Hoch3
Email: marco.looser@ref-witikon.ch

https://www.witikon-hoch3.ch/

Das Projekt Hoch3 wurde von der Age-Stiftung mitfinanziert. Dabei entstand ein Film über das Projekt: https://vimeo.com/391453664

und es stehen weitere Infos im Netz unter
https://www.age-stiftung.ch/foerderprojekt/nachbarschaftszentrum-witikon-realisierung-eines-begegnungsorts/